AUSSTELLUNG
INSTALLATION - NEUE WERKE
CHRISTOPH HAERLE
ab 29. Oktober - 29. Januar 2022

ÜBER DIE AUSSTELLUNG
INSTALLATION - Christoph Haerle
Mit Nagellackfarben Musik machen
Der Galerist Stephan Witschi begeistert sich seit Jahren für die Arbeiten von Christoph Haerle. So zeigte er letzten April eine aufwendige Installation des Künstlers für nur gerade vier Stunden in seiner Aussersihler Galerie, bevor das Kunst-am-Bau- Werk aus Plexiglas in einem Schwyzer Alters- und Pflegeheim definitiv aufgebaut wurde. Nun findet vom 2. Dezember bis Ende März 2016 in denselben Räumlichkeiten eine Ausstellung mit neuen Werken von Christoph Haerle statt.
Eigentlich geht es dem Bildhauer und Architekten Christoph Haerle in seinem über 30- jährigen künstlerischen Schaffen immer um die Gewichtung. Dem Begriff wohnen zwei Bedeutungen inne: Einerseits denkt man an Körper, Volumen, also Geometrisches; andererseits geht es um Bewertung, Einschätzung und subjektives Empfinden. Dieses Spannungsfeld zeichnet alle Arbeiten von Haerle aus, seien das nun die Plastiken, Rauminstallationen oder Nagellackbilder. Die strengen Linien und Formen seiner Werke haben weit weniger mit seinem technischen Können und Wissen, als vielmehr mit seinem Sinn für Schönheit und Sinnlichkeit zu tun. Indem er voluminöse Skulpturen leicht erscheinen lässt, löst er im Betrachter eine spielerische Verunsicherung aus, die diesen involviert. So evozieren die Arbeiten, denen keine Narration eingeschrieben ist, ganz unterschiedliche Geschichten. Konkret lässt sich das an Haerles Beton-Skulpturen verfolgen: Indem er den Beton erst mit einer, dann mit zwei Farben mischte und ihn dann auch noch durch eine labile Position „entlastete“, dekontextualisierte er das Material zunehmend und öffnete damit einen Raum für Assoziationen. So auch bei der 2003 fertiggestellten Skulptur „Ganymeds Schwester“, die am General-Guisan-Quai in Zürich steht. Wer sich vom Arboretum herkommend allmählich der rosa Schale nähert, die aus der Ferne klein erscheint und aus der Nähe überragend ist und deren Farbe und Wasserschicht Leichtigkeit vortäuscht, während sie in Wirklichkeit 16 Tonnen wiegt, erahnt etwas von der Tiefgründigkeit von Haerles Arbeiten. Doch eigentlich geht es ihm um Berührung, so wie ihn selber eine streng komponierte Fuge von Bach berührt. Wie jener mit einem System von Tönen die Schöpfung einfing, kreiert Haerle aus geometrischen Körpern und Farbtönen Werke von existentieller Kraft.
Wer näher ergründen will, wie aus einem leicht abgeflachten Kreis eine stehende Skulptur und durch eine zusätzliche Spaltung ein erotisches Objekt wird, der sollte sich die Ausstellung in der Galerie Stephan Witschi unbedingt ansehen. Auch die nicht ganz offensichtliche Verbindung von Haerles Nagellack- und Plexibildern wird in deren Gegenüberstellung ersichtlich: Die fast unendlichen Nagellackfarbmischungen überträgt der Künstler auf die begrenzte Farbpalette des semi-transparenten Plexiglases, indem er einzelnen Farbplättchen übereinanderlegt. Ausgehend von Blumensträussen gehen diese grossformatigen Bilder denselben Fragen von Vergänglichkeit, Schönheit und Sinnlichkeit nach wie die „Etüden“ aus Nagellack. Christoph Haerles faszinierenden Arbeiten zielen auf die Urfragen des Seins, doch macht der Künstler diese schweren Fragen ganz leicht, ob in Beton gegossen oder mit Nagellack hingetuscht.
von Karen Roth